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Sandkörner in der Sonne
Die Keramik der Australierin Pippin Drysdale im Museum für Angewandte Kunst. Artikel von Pamela Dörhöfer

Kumme von Pippin DrysdaleIhre Arbeiten seien so "sophisticated" wie sie es selbst gerne wäre, sagt die australische Keramikkünstlerin Pippin Drysdale. Ruhe und Erhabenheit strahlen ihre Keramiken aus - und bergen doch Überraschungen, denn ihre Oberfläche verändert sich mit der Perspektive, aus der sie betrachtet werden: Was von weitem oft monochrom wirkt, offenbart in der Nähe feine Nuancen, ein Spiel subtiler Licht- und Farbeffekte - Attribute, mit denen sich auch die Wüste beschreiben ließe. Und es gibt weitere Parallelen zwischen Kunstwerk und scheinbar karger Natur: So erinnern die Linien, die sich mal gleichmäßig, mal gebrochen, meist fein, an manchen Stellen aber auch grob um die Form dieser hoher Gefäße winden, an Spuren im Sand, den der Wind verweht hat. Die Objekte sind als Nachhall einer Exkursion mit dem Flugzeug über die Tanami-Wüste entstanden. Die Eindrücke aus der Vogelperspektive von der abgeschiedenen Landschaft im Nordwesten des Kontinents hat Drysdale in ihren jüngsten Werken verarbeitet. 26 Exponate dieser Serie sind derzeit unter dem Titel Red Earth als Ausstellung der Heidelberger Galerie Marianne Heller im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen.

Die etwa 50 Zentimeter hohen Gefäße sind Konzentrat emotionalen Erlebens und ästhetischer Reflexion und das Ergebnis monatelangen Experimentierens, an dessen Ende Pippin Drysdale zur aufwendigen Technik fand, die ihren inneren Bildern Ausdruck verleiht; wobei das Verfahren wenig Sicherheit bietet: Etwa 40 Prozent Verlust beim Brennen ist einzukalkulieren. Wenn alles gut geht, fließen Form und Dekor freilich zu einer Einheit von höchster Harmonie zusammen.

Besticht die Form in raffinierter Schlichtheit (und dadurch, überhaupt Stand zu haben), so fasziniert die Gestaltung der Oberfläche durch ihre außergewöhnliche Struktur, irisierend und vielschichtig wie grob gewebte Naturseide. Drysdale erreicht diesen Effekt durch mehrere Lagen Farbglasur, in die sie anschließend horizontale Rillen schneidet, die ausgebürstet und ihrerseits mit pastos aufgetragener Farbe gefüllt werden. Weil diese schnell trocknet, kann sich die Künstlerin immer nur kleine Ausschnitte vornehmen.

detailAm Ende jedoch schillert die Oberfläche in unendlichen vielen Facetten - so wie ein Sandkorn in der Sonne. Flimmert sie beim einen Objekt irritierend in den Farben des Regenbogens, kontrastieren bei einem anderen warme Naturtöne mit kühlem Türkis (für Drysdale eine Erinnerung an das Wasser in der Wüste). Dann wieder glühen die Lippen einiger Gefäße in gleißendem Orange, als wären sie der Horizont, hinter dem die Sonne untergeht.

Die Aborigines hat die Landschaft ihrer Heimat zu Ähnlichem inspiriert. Auch bei ihnen findet sich das für Drysdale typische Liniendekor: als Bemalung auf den Körpern und als Muster der Sammelkörbe - die zudem in ihrer kokonartigen Form mit den Exponaten hier korrespondieren.

Pippin Drysdale ist wie viele zeitgenössische Künstler Australiens von der Kultur der Ureinwohner geprägt. Mit ihren aktuellen Werken hat sie indes zu einer unverkennbaren künstlerischen Sprache gefunden, die Tradition einbindet und dabei etwas faszinierendes Neues gebiert.

Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau: Titel: Sandkörner in der Sonne; Autor: Pamela Dörhöfer; FR vom: 11. Februar 2003.

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